Die Stimme der Jugend: Aids ohne Vorurteil

Jéssica Botelho

01.12.2014 | Montag | 7:52 Uhr | Aktualisiert am 22.09. um 16:08 Uhr (Uhrzeit Brasília)

Was würden Sie tun, wenn sie entdeckten, dass jemand in ihrer Familie am HIV/Aids Virus erkrankt wäre? Würden Sie sich von ihm abwenden, oder helfen? Würden Sie mit Vorurteilen reagieren? Das Team des Portal des Guten Willen hat im Institut für Erziehung José de Paiva Netto, in São Paulo (Brasilien) eine Umfrage unter den Schülerinnen und Schülern der dortigen Sekundarstufe gestartet, wie sie darüber denken.

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Artikel des Journalisten Paiva Netto: „Aids – im Kampf nicht nachlassen“
Mit Aids zu leben heißt „jeden Tag eine neue Herausforderung überwinden“, so bestätigt eine Betroffene


Während dies für viele ein Tabuthema sein könnte, so ist es für diese Jugendlichen kein Problem über Aids zu sprechen. Dies kommt daher, dass in allen Schulen der Legion des Guten Willens (LGW) deren eigene Methode, die Disziplin des Gemeinschaftsunterrichts*, im Stundenplan mit einbegriffen ist. Hierbei betreiben sie Forschung und führen Debatten zu dieser Krankheit (was diese bedeutet, wie sie übertragen wird, wie man sie behandelt und, natürlich, wie man ihr vorbeugen kann), ohne Scham oder Furcht sich darüber zu informieren, und sie gelangen hierbei zu interessanten Ergebnissen.

João Nery
Einige Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe des Instituts für Bildung und Erziehung José de Paiva Netto in São Paulo, (Brasilien), nehmen an der Debatte über Aids teil, die unter der These des Leiters der LGW, Paiva Nettos steht, „Aids - der Virus des Vorurteils ist bedrohlicher als die Krankheit selbst.“


Oftmals werden die Träger des HIV-Virus aufgrund mangelnder Information ausgeschlossen, und gerade dies schürt das Vorurteil. „Es existieren Mythen, hinsichtlich der Kontamination, die verschwinden müssen. Viele Menschen diskriminieren Aids-Kranke, gerade weil sie die Krankheit nicht gänzlich verstehen“, so kommentiert die 18 –jährige Sabrina Caetano.

Nach Meinung von Priscila Mendes, 18, ist das Vorurteil an dem Aidskranke leiden, schwerwiegend, und „es kann von der eigenen Familie ausgehen, die, ebenso wie die Gesellschaft, über diese oftmals richtet anstatt sie willkommen zu heißen und zu verstehen.“ Diese Haltung resultiert in einem „Preisgegeben sein“, das den Kranken noch tiefer trifft. Und in genau diesem Augenblick ist er auf eine größere Unterstützung und Solidarität angewiesen, so ergänzt Rene Clemente, 18.

Selbst wenn sie sich in Behandlung befindet, sollte und muss eine mit Aids infizierte Person normal leben, ohne sein affektives und soziales Leben aufzugeben. Sie hat gleichfalls das Recht zu arbeiten, zu lieben, spazieren zu gehen, sich zu vergnügen und Freunde zu machen. Das ist es, was Amy de Souza, 18, bestätigt: „Ein mit Aids infizierter kann mit anderen Menschen in der Gesellschaft zusammenleben. Wenn er andere berührt oder sich einfach nur mit ihnen unterhält, so ist es nicht möglich sich an der Krankheit anzustecken.“ 

Der Schüler Matheus Araújo, 19, erinnert daran, dass es Krankheiten gibt, die tödlicher sind als Aids – wie beispielsweise die Diabetes, die in Brasilien, dem Gesundheitsministerium zufolge, vier Mal mehr Todesopfer fordert. Und es gibt noch weitere, die wesentlich ansteckender sind und die durch die Luft übertragen werden, wie bei der Grippe. Aber, das Vorurteil den Trägern des Aids-Virus gegenüber, ist äußerst aggressiv geworden. „In einer Unterrichtsstunde zeigte die Lehrerin ein Video, in dem simuliert wurde, dass einer der Sitze in der U-Bahn, speziell für Aids-Kranke reserviert wurde. Viele Menschen gingen an diesem Sitz vorbei und setzten sich nicht hin. Dies zeigt sehr gut die Ignoranz der Menschen auf, denn ein an Grippe erkrankter Mensch ist in dieser Situation für andere gefährlicher als ein Aids-Kranker“, so erläutert der Schüler.

Dem Bericht des Gemeinschaftsprogramms der Vereinten Nationen über HIV/Aids (UNaids) zufolge, leben HIV-Infizierte inzwischen länger und die aufgrund der Krankheit auftretenden Todesfälle nehmen wegen der Effizienz der antiretroviralen Therapien weiterhin ab. Dieser Fortschritt beim Zugang zu Behandlung ist in der Tat zu begrüßen, man sollte allerdings nicht vergessen, dass weltweit immer noch über 35 Millionen Menschen, die mit HIV infiziert sind leben. Und die neuen Generationen benötigen dieses Wissen dringend: „Der Gemeinschaftsunterricht bietet Gelegenheit zu einem Überdenken unserer Haltung und der Gestaltung einer besseren Zukunft für uns und die neuen Generationen. Die Jugend könnte sogar einen falschen Weg beschreiten, was verhindert werden kann, wenn es zuvor einen Ort wie diesen, zur Warnung und zu einer Debatte ohne Vorurteil gegeben hätte“, so vertritt dies Priscilla Mendes.

Für Carolina Santos, 19, „sollten Unterrichtsstunden wie diese, von Gesetz wegen, in den Schulunterricht mit einbezogen werden, denn es fehlt immer noch an Information, Interesse und Einfühlungsvermögen. Andernfalls werden Ignoranz und Vorurteil jeden Tag zunehmen.“ Marcus Vinicius Scolari, 18, fügt weiterhin hinzu: „Es dürfte keinerlei Diskrimination geben, weder den mit Aids Infizierten gegenüber, noch gegen irgendetwas anderes, seien dies Religion, sexuelle Orientierung, Ethnie, oder den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen gegenüber, denn wir sind alle Menschen, mit all unseren Fehlern und Vorzügen. Wir sollten all diese Unterschiede respektieren.“

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*Gemeinschaftsunterricht — Die Disziplin des Gemeinschaftsunterrichts, die vom Erzieher Paiva Netto ins Leben gerufen wurde, lädt die Schülerinnen und Schüler zu Aktivitäten in Forschung und Diskussion, zu wichtigen Themen des Alltags ein. Er wird im Unterrichtsnetzwerk der Legion des Guten Willens im ganzen Land, sowie im Ausland angewendet. 

Übersetzung: Thomas Hempfing
Revision: Mônica Moraes